Gartenfreunde Marzinskewitz – Eine Zeitreise durch 60 Jahre Kleingarten

In diesem Jahr (2021) feiern die Ehrenmitglieder Werner und Ingeborg Marzinskewitz ihr 60-jähriges Kleingartenjubiläum. Ein guter Grund, sie nach Erinnerungen und Höhepunkten während ihres Kleingärtnerlebens zu befragen.

Werner, Jahrgang 1938, überraschte seine Inge, geboren 1931, eines Tages im Jahr 1961 mit der Mitteilung, dass sie einen Kleingarten übernehmen könnten. Der Bruder von Inges Schwiegermutter hatte Kontakt zum Vorpächter und wollte zunächst den Garten selbst übernehmen. Letztlich entschied er sich dagegen und fragte Werner, ob Interesse bestände. Seitdem ist das Refugium der beiden die Parzelle 187 im Pirolweg, der tatsächlich seinen Namen durch einen damals dort nistenden Pirol erhielt.

Wie sie berichten, sah es zu Beginn so aus, als ob der Vorgänger auf dem Grundstück Getreide gepflanzt hätte. Leider stellte es sich als Quecke heraus, ein äußerst hartnäckiges und sehr schwer zu entfernendes Wurzelunkraut. Guckt man heute über den Zaun in den Garten, ist von den anfänglichen Schwierigkeiten nichts mehr zu sehen. Vielmehr blickt man auf eine mustergültig gepflegte und von kleingärtnerischem Nutzen geprägte Parzelle mit großen Beetflächen und liebevoll arrangierten Blumen im Eingangs- und Verandabereich.

An die Formalitäten oder gar Kosten, die vor mehr als 60 Jahren entstanden, können sich Werner und Inge nicht mehr erinnern und Unterlagen dazu gibt es auch nicht mehr. Aber das ist für das Ehepaar aus heutiger Sicht natürlich nicht wichtig. Was aber im Gespräch herauskam, war die Liebe, die sie seit 60 Jahren mit diesem Stückchen Erde verbindet, einschließlich der vielen positiven Erlebnisse und fröhlichen Feiern mit Freunden, Nachbarn und Kollegen.

Als sie die Parzelle bezogen, war der Charles-Corcelle-Ring noch ein Sandweg und an einen Wasseranschluss auf dem Grundstück war noch lange nicht zu denken. Zu Beginn wurde noch Wasser mit der Gießkanne und Eimern aus dem Schwarzen Graben geholt. Später kam dann eine Handpumpe mit im Boden eingelassener Badewanne zum Einsatz.

Der Boden war damals, wie Inge so schön ausführte, reiner Zuckersand. Ein Anbau von Obst und Gemüse war nur auf Hügelbeeten, den Vorläufern der heute dort stehenden Hochbeete, möglich. Dazu sammelten Werner und Inge alles kompostierbare Material, dessen sie habhaft werden konnten. Was andere Gartenfreunde zur Abholung in Laubsäcken an den Straßenrand stellten, holten sie sich für die Anlage ihrer Hügelbeete. Nach wie vor wird von ihnen der gesamte Pflanzenabfall, sofern er von gesunden Pflanzen stammt, kompostiert. Die Qualität der daraus entstandenen Erde kann man anhand des üppigen Wachstums deutlich erkennen. Auch der Maulwurf ist sich dessen bewusst und deshalb leider ein häufiger Gast im Garten Marzinskewitz. Jedenfalls ist aus dem anfänglich absolut ebenen und unfruchtbaren Gelände ein ertragreicher Garten geworden. Man kann sich gut ausmalen, welche Anstrengungen erforderlich waren, diese Menge an nährstoffreicher Erde, die jetzt das gesamte Gartengrundstück bedeckt und die Hochbeete füllt, durch Kompostierung herzustellen und zu verteilen.

In den Anfangsjahren beteiligte sich das Ehepaar auch an einer vom Senat von Berlin initiierten Aktion zur Feststellung der Schadstoffbelastung auf dem Areal der Kleingartenkolonie. Dazu wurden ihnen unentgeltlich je 10 Sellerie- und Tomatenpflanzen sowie eine weitere Gemüseart zur Verfügung gestellt, die natürlich gut gediehen.

Die Laube, die sie 1961 übernahmen, ist baulich weitestgehend unverändert. Lediglich die Fenster mussten ausgetauscht und der inzwischen städtische Wasseranschluss in Küche und Toilette gelegt werden.Der Schornstein auf dem Foto ist noch auf die Wohnungsknappheit nach dem 2. Weltkrieg zurückzuführen. Bis 1950 wurde der Ausbau von Lauben zu Wohnzwecken sogar finanziell gefördert. Ofen und Schornstein mussten später nach Gesetzesänderungen entfernt werden. Eine Besonderheit entstand durch die Anforderung an den Kolonieweg. Ursprünglich nur etwa 1 Meter breit, musste er auf „Feuerwehrbreite“ erweitert werden. Das Ehepaar Marzinskewitz und ihr Nachbar erklärten sich bereit, den erforderlichen Teil von ihren Grundstücken abzweigen zu lassen, da diese größer waren, als die gegenüberliegenden Parzellen. Seitdem steht ihre Laube nicht mehr die vorgeschriebenen 3 Meter von der Einfriedung entfernt.

Im Laufe des Kleingartenlebens haben Inge und Werner rings um sich herum viele Wechsel von Nachbarn miterlebt. Mit allen hatten bzw. haben sie ein gutes Verhältnis und teilen gern die Überschüsse ihrer Ernte mit ihnen. Ihre 60-jährige Erfahrung und der dabei erworbene Wissensschatz sorgen dafür, dass es beim Obst und Gemüse nie zu knapp ist. Inge isst zurzeit immer noch Kartoffeln aus der Ernte von 2020. Jetzt sorgt sie durch das Anhäufen der Erde an den Kartoffelpflanzen schon fleißig für einen hohen Ertrag und damit die Sicherung des neuen Jahresvorrats. Überhaupt gibt ihnen der Garten fast alles, was sie zum Leben brauchen. Nur Getränke, Milchprodukte, Mehl, Aufschnitt und mal ein Stück Fisch oder Fleisch müssen eingekauft werden. Alles andere wird eingekocht, eingefroren oder kühl und trocken im heimischen Keller gelagert und dann im Laufe des Jahres herausgeholt und verspeist.

Kirschen, Mirabellen und Stachelbeeren werden in Gläsern eingekocht. Inge benutzt dabei immer die gleiche Rezeptur: 1200 Gramm Früchte und 500 Gramm Gelierzucker (1:2) mit entsprechender Menge Wasser.Jostabeeren- und Johannisbeerensträucher sowie veredelte Weinstöcke liefern auf der Parzelle 187 jedes Jahr viele Früchte. Gerade beim Wein, der im Eingangsbereich zum Garten an der Laubenwand und um Weinbögen rankelt, wurde das Ehepaar schon oft auf die großen Trauben angesprochen. Nachgewogen kommt eine Traube schon mal auf 1,5 Kg.

Bei den Kartoffeln setzt das Ehepaar auf die Sorten Cilena, Laura und Adretta. Cilena ist vorwiegend festkochend und sehr lagerfähig. Laura, die als Top-Sorte gilt, ist leicht mehlig und kann als eine der letzten Sorten im Herbst geerntet werden. Beide Sorten eignen sich gut als Pell- oder Salzkartoffeln. Adretta ist eine alte Sorte mit viel Geschmack und eignet sich durch ihre Mehligkeit gut für Kartoffelsuppe und Knödel.

Im Gewächshaus aus dänischer Produktion, das als Ausstellungsstück mit Preisnachlass im Jahr 2000 für stattliche 4.000,- DM gekauft wurde, beginnt für viele Pflanzen das erfolgreiche Gedeihen.
Die Qualität des Gewächshauses macht sich neben dem stabilen Aluminiumrahmen durch die 6 Millimeter dicken Holkammerprofile bemerkbar. Die immerhin schon 21 Jahre sieht man hier nicht und die Zufriedenheit der Besitzer mit der Anschaffung war im Interview deutlich zu spüren.

Das Ehepaar ist neben seinem Faible für den Kleingarten in der Vergangenheit viel gereist. Selten über ein Reisebüro, sondern fast immer in Eigenregie. Dabei richtete sich die Aussaat tatsächlich nach den geplanten Reisterminen, damit man zur Ernte wieder im Garten sein konnte. Die nordischen Länder waren beliebte Ziele der beiden. Werner hat in Norwegen und Dänemark dabei geangelt und für frischen Fisch gesorgt. Also waren sie auch dort als Selbstversorger unterwegs. Apropos Selbstversorger; Brot kommt im Hause Marzinskewitz natürlich aus dem eigenen Backofen. Früher sowohl Vollkornbrot als auch Weißbrot, heute nur noch Weißbrot. Dass immer mit Dinkelmehl gebacken wird, liegt daran, dass Inge sich bei einer Nachbarin einmal Mehl borgen musste und dabei Dinkelmehl erhielt. Der Geschmack hat Werner gefallen und darum wurde dauerhaft umgestellt.

Neben den vielen schönen Zeiten gab es aber im vergangenen Jahr ein schlimmes Erlebnis für das Ehepaar. Inge war allein im Garten und hatte das Gartentor nicht verschlossen, da sie nur kurz etwas holen wollte. Sie wurde hinterrücks überfallen und ihrer Handtasche samt Wohnungsschlüsseln beraubt. Mit den Schlüsseln öffnete der:die Täter:in später die Wohnung, in der Werner die Rückkehr seiner Frau erwartete. Er wurde niedergestoßen und das gesparte Geld der beiden geraubt. Von dem:der Täter:in fehlt jede Spur.
Trotzdem ist ihr Verhältnis zum Kleingarten ungebrochen. Auch wenn Werner seit 2019 an einer Erkrankung leidet, die ärztlicherseits bisher nicht abschließend diagnostiziert werden konnte und durch die er weder essen noch sprechen kann, sind beide regelmäßig vor Ort und gehen der Gartenarbeit nach.

Das Ehepaar verdient höchste Anerkennung und Respekt für seine mit so viel Liebe und Engagement über 60 Jahre erbrachte vorbildliche kleingärtnerische Leistung. Die langjährige ehrenamtliche Tätigkeit von Werner als Wasserwart zeugt zudem von der Begeisterung, die sie dem Verein gegenüber hegen.

Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen Gesundheit und viele weitere gute Jahre auf Ihrer Parzelle im Pirolweg!

Bericht von Michael (Willi) WilkeFotos von Ingeborg und Werner Marzinskewitz sowie Michael (Willi) Wilke

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